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5. Stuttgarter Nacht der Solidarität: "Leben vor Pharmaprofit! - Patente können tödlich sein."

Das Stuttgarter Aktionsbündnis gegen AIDS veranstaltete unter dem Motto „Leben vor Pharmaprofit! – Patente können tödlich sein.“ die 5. Stuttgarter Nacht der Solidarität für Menschen mit HIV/AIDS.

Lichterschleife  

  Lichterschleife

Am Freitag, 06. Juni 2008, veranstaltete das Stuttgarter Aktionsbündnis gegen AIDS zum fünften Mal eine Nacht der Solidarität für Menschen mit HIV/AIDS in Stuttgart. Unter dem Motto „Leben vor Pharmaprofit! – Patente können tödlich sein.” fanden in und um die Stuttgarter Leonhardskirche verschiedene Aktivitäten statt. In dieser Nacht geht es den Veranstaltern um einen lebensbejahenden und solidarischen Umgang mit von HIV besonders betroffenen Menschen und Gruppen. – Auch in der eigenen Nachbarschaft, denn HIV ist auch hierzulande immer noch für viele ein Tabu.

Ab 20 Uhr waren bei der diesjährigen Stuttgarter „Nacht der Solidarität“ Aktivisten des Stuttgarter Aktionsbündnisses gegen AIDS mit Infoständen bei glücklicherweise gutem Wetter vor der Stuttgarter Leonhardskirche. Infobroschüren, Anstecker und Kondome fanden ihre Abnehmer. Hier konnten auch schon Unterschriften zu „Leben vor Pharmaprofit! – Patente können tödlich sein.“, dem diesjährigen bundesweiten Aktionsthema der Nacht der Solidarität, geleistet werden. Um 21 Uhr fanden in der Kirche eine Lesung und eine Einführung in das Aktionsthema statt. Lieder zu Liebe und Tod leiteten dann über zur öffentlichen Solidaritätsaktion: dem Aufstellen von Kerzen in Form einer AIDS-Schleife auf dem Kirchenvorplatz gegen 21.45 Uhr. Hier ergriff Doris Bazlen, AIDS-Seelsorgerin der Evangelischen Landeskirche Württemberg, das Wort.

  

  Leben vor Pharmaprofit

Die Kampagne Leben vor Pharmaprofit! – Patente können tödlich sein. will erreichen, dass alle Menschen, die an den Folgen von HIV/AIDS erkrankt sind, Zugang zu den lebenswichtigen antiretroviralen Medikamenten haben. Dazu müssen solche Medikamente bezahlbar sein. Doch für hunderttausende von Menschen mit HIV/AIDS sind diese Medikamente immer noch zu teuer. Die meisten dieser Menschen leben nämlich in Entwicklungsländern und sind nicht in der Lage die Kosten dieser Medikamente – die im Verhältnis zu ihrem Einkommen nach wie vor immens sind – zu tragen. Die Staaten und die internationale Gemeinschaft sind deswegen gehalten eine faire Preisgestaltung möglich zu machen. Denn leben ist ein Menschenrecht!

Bislang ist es so, dass die antiretroviralen Medikamente für Menschen mit HIV/AIDS in den reichen Ländern aus Europa und den USA kommen. Eine Jahrestherapie mit diesen Medikamenten kostet in Europa zwar über 10.000 EUR – in aller Regel gibt es hierfür aber auch Kostenträger. In den Entwicklungsländern werden dagegen vor allem Medikamente verwendet, die in Indien hergestellt werden. Diese preiswerteren Generika sind identische Kopien der Medikamente, die in Europa und den USA produziert werden. Auf diese Weise können auch in den Entwicklungsländern viele – wenn auch bei Weitem nicht alle – Menschen mit HIV/AIDS mit den überlebenswichtigen Medikamenten versorgt werden.

Indien konnte zur „Apotheke der Armen“ werden, weil es sich über Jahre nicht an den international üblichen Standard im Patentrecht hielt. Seit 1995 hatten sich nämlich immer mehr Länder zu einem rigiden Patentschutz für 20 Jahre bei Medikamenten verpflichtet. Im Gegensatz zu diesen Ländern akzeptierte Indien bis 2004 keinen Patentschutz auf Wirkstoffe, so dass in Indien Generikas bei verändertem Herstellungsverfahren vor Ablauf der international üblichen Patentschutzzeit hergestellt werden konnten. 2005 musste Indien aber auch Indien auf internationalen Druck den strafferen Patentschutz einführen. Generika von AIDS-Medikamenten die schon vor 2005 hergestellt wurden haben zwar Bestandsschutz und dürfen von den bisherigen Herstellern weiter produziert werden. Werden allerdings für neuere AIDS-Medikamente Patente erteilt, sind diese nun umfänglich geschützt. Das Preis- und Vermarktungsmonopol liegt dann beim Patentinhaber. Marktkonform – konkurrieren sie doch global um Kapital – haben folgerichtig fast alle Pharmaunternehmen Patentanträge auf ihre neueren AIDS-Medikamente in Indien gestellt.

Werden die Patentanträge in Indien genehmigt, könnte dies zu einer Verknappung des Angebots für neuere AIDS-Medikamente führen. Für die Patientinnen und Patienten in Entwicklungsländern hätte dies fatale Folgen: einen Zugriff auf preiswertere neuere AIDS-Medikamente hätten sie bei ansonsten gleich bleibenden Bedingungen nicht mehr – Leben würde für sie zur Kostenfrage! Damit wäre die antiretrovirale Therapie von hunderttausenden Menschen gefährdet. Hinzu kommt, dass all dies zu einem Zeitpunkt geschieht, wo es neue, weiterentwickelte AIDS-Medikamente gibt, die wirksamer sind und wesentlich weniger Nebenwirkungen haben – aber nun ja auch in Indien unter Patentschutz gestellt werden können.

Mit der Aktion „Leben vor Pharmaprofit! – Patente können tödlich sein.“ fordert das Aktionsbündnis gegen AIDS deshalb die Pharmafirmen Abbott, Bristol-Myers Squibb und Gilead auf, ihre Patentanträge in Indien auf neuere, lebenswichtige AIDS-Medikamente zurück zu ziehen. Die Aktion läuft bis zum 01.12.2008 – dem Welt-AIDS-Tag – und liegt bis dahin auch in der Beratungs- und Geschäftsstelle der AIDS-Hilfe Stuttgart e.V. zur Unterschrift aus.